Befreiung
Bis Ende April ist Edith auf Transporten unterwegs. Sie machen an verschiedenen Stationen Halt. Da sich die Deutschen kontinuierlich auf dem Rückzug befinden, sind fast alle Lager und Orte, zu denen sie kommen sollten, evakuiert oder werden gerade geräumt. Die Fahrt wird zu einer furchtbaren Odyssee. In Waggons mit bis zu 120 Personen werden sie transportiert. Jeden Morgen werden die Toten hinausgeworfen. Einmal gibt es acht Tage am Stück kein Essen. Der Leiter des Transportzuges, an dem die Küche angehängt ist, ist zu den Amerikanern übergelaufen. Also gibt es nun nicht mal mehr das Nötigste an Nahrungsmitteln. Doch alles ist besser als das Todesurteil, dem Edith entgangen ist.
Lilli hat währenddessen bei einer französischen Bauernfamilie auf dem Land eine Unterkunft gefunden. Da ihre Papiere gefälscht sind, ist der Familie nicht bewusst, wen sie da „verstecken“. Lilli weiß aber natürlich um die Gefahr, in die sie die Familie bringt, wenn die deutschen Besatzer sie entdecken. Aus tiefem Pflichtgefühl heraus arbeitet sie so hart, wie sie kann. Die Arbeit auf dem Bauernhof wird in Friedenszeiten hauptsächlich von Männern erledigt. Doch Lilli will der Familie unbedingt etwas zurückgeben.
Auch das Lager, in dem Trude nach wie vor inhaftiert ist, soll geräumt werden. Wie vielen anderen Lagerinsassen droht auch Trude, auf einen „Todesmarsch“ geschickt zu werden.
Am 8. Mai 1945 schweigen die Waffen. Das Deutsche Reich kapituliert vollständig. Der Zweite Weltkrieg verzeichnet nach Schätzungen mindestens 65 Millionen Opfer, darunter unzählige Zivilisten. Der von den Nationalsozialisten organisierte Massenmord an circa sechs Millionen Jüdinnen und Juden sowie an politischen Gegnerinnen und Gegnern, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuellen und Andersdenkenden geht als beispielloser Zivilisationsbruch in die Geschichte ein.
Für Ida, Trude, Edith und Lilli wird es zur unfassbaren Gewissheit, dass viele ihrer Freunde und Familienangehörigen die Verfolgung nicht überlebt haben. Idas Familie überlebt dank ihrer Flucht nach Bolivien. Sie verliert jedoch mehrere Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins. Auch mehrere Freunde und Bekannte werden ermordet.
Edith verliert ihre Eltern Sophie und Salomon. Sie wurden aus dem Lager Gurs heraus weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihr Bruder Leopold Wolf lebt nach dem Krieg in Schweden.
Trude verliert ihre geliebten Eltern Salli und Frieda. Auch sie überleben das Konzentrationslager Auschwitz nicht. Ihre Schwester Erna wird vom französischen Untergrund gerettet und gelangt später in die USA.
Für Lillli ist die erste Zeit nach Kriegsende von der Hoffnung auf ein Lebenszeichen ihrer Familie bestimmt. Schnell wird es zu einem quälenden Ritual, Briefe an Auskunftsstellen zu schreiben, stundenlang an Bahnhöfen auf Rückkehrer zu warten und die Überlebendenlisten des Roten Kreuzes durchzusehen – immer verbunden mit der verzweifelten Hoffnung, einen ihrer Namen zu finden. Doch Lilli überlebt als einzige ihrer Familie. Philipp, Marta und Edgar werden alle in Auschwitz ermordet.
Auch wenn Edith, Lilli, Trude und Ida ihr Leben retten können, die körperlichen und seelischen Belastungen bleiben ein Leben lang.