Max Hichberger wird am 5. Mai 1886 geboren. Er wohnt mit seiner Frau zuletzt in der Durlacher Straße 72.
Er besitzt und führt ein Bijouterie-Exportunternehmen in der Westlichen Karl-Friedrich-Straße 58. Jedoch muss er im Juni 1938 sein Geschäft aufgrund der nationalsozialistischen Maßnahmen gegen jüdische Geschäftsunternehmen aufgeben.
Am 6. Dezember 1938 verlässt er seinen Wohnort Pforzheim und flüchtet nach Frankreich. Dort wird ihm als Ausländer jede Arbeitserlaubnis verweigert.
Er wird am 25. September 1939 als „feindlicher Ausländer“ verhaftet und bis zum 8. April 1940 in Villerbon und Cepoy festgehalten. Am 10. Mai 1940 wird er im Camp von Tence (Haute Loire) interniert und am 15. September 1940 entlassen.
Bis zum 15. Juli 1942 bleibt er mit seiner Frau in Paris, jedoch müssen sie sich bei Madame Simone Terbach bis zum Abschluss der Kriegshandlungen am 8. September 1944 verstecken.
Sie kehren nach der Befreiung von Paris dorthin zurück und wandern am 18. Dezember 1947 in die USA aus.
Max Hichberger verstirbt am 18. Dezember 1960 im Alter von 74 Jahren.

Autoren: Projektgruppe „Geschichte aktiv“
Emil Simon wird am 14. Oktober 1883 in Ludwigshafen geboren.
Er und seine Ehefrau Hermine Simon (geb. Barth) haben eine gemeinsame Tochter, Felice. Sie wird am 3. März 1912 geboren.
Das Ehepaar wohnt bis 1940 in der Östlichen Karl-Friedrichstraße 15.
Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er die jüdische Gaststätte „Café Simon“ in Pforzheim, das sich in der Leopoldstraße 18 befindet. Am Morgen des 10. November 1938 wird auch ihr Lokal zerstört. Auf Befehl der SA wird sie verwüstet und geplündert. Ihnen wird der Zutritt zu ihrem Lokal verboten.
Am 22. Oktober 1940 wird das Ehepaar in das Lager Gurs verschleppt. In Gurs verstirbt Emil Simon am 10. Juni 1941. Auch seine Ehefrau Hermine kommt im Lager ums Leben.
Ihre Tochter Felice überlebt die Verfolgung und lebt später in den USA.

Autorin: Wusha Mohammed (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Leo Erlanger wird am 2. Juli 1878 in Altenstadt geboren.
Gemeinsam mit seiner Frau haben sie bis zum Jahre 1934 in der Östlichen Karl-Friedrich Straße 28 ein Möbelgeschäft, wo sie auch wohnhaft sind. Als Leo Erlangers Neffe das Geschäft 1934 übernimmt, zieht das Ehepaar Erlanger um. Zuletzt lebt das Ehepaar in der Bertholdstraße 4.
Leo Erlanger wird aufgrund seines jüdischen Glaubens am 22. Oktober 1940 nach Gurs verschleppt. Er wird 1942 weiter in das Sammellager in Drancy deportiert und am 10. August 1942 von dort aus in das Konzentrationslager Auschwitz.
Leo Erlanger überlebt die Verfolgung nicht.

Autorin: Nathalie Iskandar (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Leopold Blum wird am 21. November 1898 in Hochhausen im Kreis Mosbach geboren.
Im Jahr 1928 heiratet er Gretel Blum geb. Schmied in Mainz. Aus der Ehe gehen zwei Töchter, Ingeborg und Hildegard, hervor. Sie gehören beide seit ihrer Geburt – wie ihre Mutter – dem evangelischen Glauben an. Bis 1933 war Leopold Blum in der Firma Bensinger angestellt, hatte aber ab 1934 keinen festen Arbeitsplatz mehr.
Leopold wird in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in seiner Wohnung in der Hohenzollernstraße 84 fürchterlich verprügelt, bis er blutüberströmt zusammenbricht. Daraufhin erfolgen die Verhaftung und die anschließende Internierung in das Konzentrationslager Dachau.
Nach der Scheidung von seiner Frau Gretel, verlegt er seinen Wohnsitz nach München. Er heiratet eine jüdische Frau. Leopold befindet sich am Tage der Deportation der jüdischen Bewohner aus Baden, am 22. Oktober 1940, zufälligerweise bei seinem Onkel Lißberger in Karlsruhe. Er wird deshalb mit Lißberger zusammen nach Südfrankreich ins Lager Gurs verschleppt. 1942 wird Leopold von dortweiter in ein Konzentrationslager „im Osten“ deportiert und gilt seitdem als vermisst.
Leopold Blum überlebt die Verfolgung nicht.

Autorin: Naemi Fust (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Leo Klein wird am 28. November 1900 in Mittelstreu (Bayern) geboren.
Er beginnt 1913 bei einer Firma in Tiefenort (Thüringen) die Lehre als Kürschner und arbeitet 12 Jahre als Geselle bei verschiedenen Firmen. Von 1929 bis 1938 ist er als Betriebsleiter in Pforzheim tätig.
1929 heiratet er in Pforzheim Auguste Hilb. Nach der Eheschließung wohnen sie in der Metzgerstraße 17 (heute Waisenhausplatz), wo sich auch Leos Geschäft befindet. Anfang 1934 verlegt er sowohl sein Geschäft als auch ihre gemeinsame Wohnung in die Scheuernstraße (heute Innenstadt). 1938 wird das Geschäft von den Nationalsozialisten „arisiert“.
Leo und seiner Frau Auguste gelingt im Mai 1938 die Flucht. Gemeinsam mit ihrer Tochter gelangen sie über Hamburg in die USA. Die Familie Klein lebt zuletzt in New York City.

Autorin: Wusha Mohammed (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Irene Karle (geb. Bloch) wird am 19. Mai 1904 in Königsbach geboren. Sie lebt dort mit ihren Eltern Wilhelm und Mina und ihren Geschwistern Ludwig, Manfred und Heinz.
1924 heiratet sie Hermann und gründet eine Familie. Sie leben mir ihrer Tochter Marga in der Friedenstraße 198.
Marga hat die Absicht, die Hildaschule in Pforzheim zu besuchen, um das Abitur zu erlangen. Als sogenannte „Halbjüdin“ wird ihr dieser Wunsch aber durch die Verfolgungsmaßnahmen verwehrt. Stattdessen besucht sie nach der vierten Klasse kurzzeitig die Volkshochschule in Pforzheim. Ab 1936 muss Marga, nach Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ vom 15. September 1935, im Schulgetto an der Osterfeld-Schule (damals Hildenburgschule) lernen.
Da ihr Mann nicht jüdisch ist, sind Irene und Marga vorerst „geschützt“ und werden am 22. Oktober 1940 nicht ins Lager Gurs verschleppt. Am 14. Februar 1945 werden sie jedoch in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Marga erkrankt dort an schwerem Flecktyphus.
Irene und ihre Tochter Marga überleben die Verfolgung.
Irene stirbt im Jahr 1972.

Autorin: Naemi Fust (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Marga wird am 7. Juli 1924 in Dillstein im Kreis Pforzheim geboren.
Ihre Mutter heißt Irene (geb. Bloch), ihr Vater Hermann. Er ist lange als Kaufmann tätig, bis er 1945 in den Zweiten Weltkrieg eingezogen wird und dort verstirbt.
Marga hat die Absicht, die Hildaschule in Pforzheim zu besuchen, um das Abitur zu erlangen. Als sogenannte „Halbjüdin“ wird ihr dieser Wunsch aber durch die Verfolgungsmaßnahmen verwehrt. Stattdessen besucht sie nach der vierten Klasse kurzzeitig die Volkshochschule in Pforzheim. Ab 1936 muss Marga, nach Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ vom 15. September 1935, im „Schulgetto“ an der Osterfeld-Schule (damals Hildenburgschule) lernen. Geleitet wird die Schule von der Lehrerin Hedwig David. Marga ist ein hervorragende Schülerin und schreibt gute Noten.
Im Jahr 1940 wird Marga dienstverpflichtet. Da ihr Vater nicht jüdisch ist, ist sie „geschützt“ und wird am 22. Oktober 1940 nicht ins Lager Gurs verschleppt. Deshalb ist sie zwangsweise als Hilfsarbeiterin in verschiedenen Pforzheimer Betrieben tätig. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, sie wird diffamiert und der Lohn ist niedrig. Marga muss den „Judenstern“ tragen.
Am 14. Februar 1945 wird Marga gemeinsam mit ihrer Mutter Irene in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort erkrankt sie mehrere Wochen an schwerem Flecktyphus. Nach vier Monaten, am 23. Juni 1945, wird sie aus dem Konzentrationslager entlassen. Selbst zwei Jahre nach der Entlassung hat sie mit den gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.
Ihre Mutter und Marga überleben die Verfolgung.
Im Mai 1947 heiratet Marga und trägt nun den Namen „Kuner“.


Autorin: Naemi Fust (Projektgruppe „Geschichte aktiv“)
Felice wird am 3. Mai 1912 in Bretten geboren. Sie lebt mit ihren Eltern Emil und Hermine in der Östlichen Karl-Friedrichstraße 15.
Felice arbeitet von 1934 bis 1936 als Apothekerin in der Nordstadt-Apotheke.
Ihre Eltern betreiben das „Café Simon“ an der Ecke Leopoldstraße/Zerrennerstraße. Am Morgen des 10. November 1938 wird das Lokal zerstört. Auf Befehl der SA wird es verwüstet und geplündert. Den Eltern wird der Zutritt zu ihrem eigenen Café verboten.
Am 22. Oktober 1940 werden Felices Eltern in das Lager Gurs verschleppt. In Gurs verstirbt Emil Simon am 10. Juni 1941. Auch seine Ehefrau Hermine kommt im Lager ums Leben.
Felice kann bereits am 27. Oktober 1937 in die USA fliehen und lebt später in New York als verheiratete Felice Kalfus.

Autoren: Projektgruppe „Geschichte aktiv“
Hans Friedrich Ludwig Kuppenheim wird am 3. Dezember 1892 als ältester Sohn des Frauenarztes Medizinalrat Dr. Rudolf Kuppenheim und Lilly (geb. Ehrmann) in Pforzheim geboren. Sein Großvater, Louis Kuppenheim, ist Gründer der Firma „Louis Kuppenheim AG, Gold- und Silberwarenfabrik“, seine Onkel führen die Firma weiter und zu Weltruhm.
Die Familie Kuppenheim hat jüdische Wurzeln. Hans‘ Eltern konvertieren um die Jahrhundertwende; das gleiche gilt für sämtliche Geschwister des Vaters. Die Söhne Hans und Felix werden evangelisch getauft.
Hans Kuppenheim wächst, gemeinsam mit seinem vier Jahre später geborenen Bruder Felix, behütet in Pforzheim auf. Beide Eltern sind aktive Mitglieder der Stadtgesellschaft und überaus beliebt. Er besucht das Pforzheimer Reuchlin-Gymnasium und macht dort 1911 das Abitur.
Im Anschluss daran, 1911/12, leistet Hans Kuppenheim seinen Wehrdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Telegraphen-Bataillon IV in Karlsruhe ab. Wie auch sein Vater ist Hans naturwissenschaftlich begabt; er schreibt sich an der Universität Heidelberg für die Fächer Physik, Mathematik und Astronomie ein. Außerdem ist er ein talentierter Musiker – sein ganzes Leben spielt er Geige in einem Streichquartett.
Mit Kriegsausbruch 1914 unterbricht Hans Kuppenheim sein Studium. Im Juni 1915 wird er verletzt. Im Lazarett in Nürnberg lernt er seine spätere Frau, die Krankenschwester Ilse Hoepfel, kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick.
Hoch dekoriert – neben dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse wird ihm 1917 auch eine hohe badische Auszeichnung, das Ritterkreuz vom Orden des Zähringer Löwen, verliehen – kehrt Hans Kuppenheim im Dezember 1918 aus dem Krieg zurück und setzt sein Studium fort. (Auch Vater und Bruder, ein Cousin sowie zwei Onkel erhalten gleichermaßen hohe Auszeichnungen.)
Am 23. August 1919 heiratet er Ilse Hoepfel in Bad Wörishofen.
1921 promoviert er in Physik. Ein Jahr arbeitet er an der Universität Heidelberg, danach bei verschiedenen Firmen in Erlangen, Rudolstadt und Frankfurt (Main). Im Jahr 1932 zieht er nach Berlin, um eine Stelle bei Siemens anzutreten. Sein Spezialgebiet ist Röntgenphysik; er erforscht die Schnittstellen zwischen medizinischer Forschung und deren technischer Umsetzung in Geräte. Mit seiner Frau wohnt er am Barbarossakorso 35 (heutige Welfenallee 45), anschließend in der Tannenstraße 7. Zwei seiner Cousinen – Hilde Widmann geb. Kuppenheim sowie Lotte Brückner geb. Kuppenheim – leben übrigens auch in Berlin.
Seine erste Erfahrung mit dem Antisemitismus der NSDAP macht Hans Kuppenheim bereits im April 1933, im Rahmen der Betriebsratswahlen bei den Siemens Reinigerwerken in der Mohrenstraße, die auf den 6. April 1933 angesetzt sind. Neben der Liste der NSDAP gibt es noch eine unabhängige Liste, auf der auch Hans Kuppenheim kandidiert. Beide Listen werden am Schwarzen Brett angeschlagen. Die NSDAP-Betriebsgruppe entfernt die zweite Liste und erklärt, dass sie die Geschäfte des Betriebsrats übernommen habe. Anschließend wird die Direktion aufgefordert, drei Arbeitnehmer zu entlassen, da diese Juden seien, darunter namentlich auch Dr. Hans Kuppenheim. Sprachrohr der NSDAP ist ihr Obmann für dies Werk, „ein Mann namens Bock, welcher im Haus Boten- und Pförtnerdienste verrichtet“. Hans Kuppenheim hat Glück – „Inzwischen wurde festgestellt, dass Dr. Kuppenheim katholisch [sic !!!] ist, im Kriege an der Front gekämpft hat und Inhaber des EK II. und I. Klasse ist.“
1934 nimmt Dr. Hans Kuppenheim am IV. Internationalen Radiologenkongress in Zürich teil. 1935 wird er durch die Nürnberger Gesetze, die aus der jüdischen Religion das Konstrukt einer jüdischen Rasse machen, über Nacht zum „Volljuden“ – alle vier Großeltern waren Juden. Die Nürnberger Gesetze erklären jüdische Deutsche zu Bürgern zweiter Klasse, zu „Staatsangehörigen“ im Gegensatz zu den „arischen“ Reichsbürgern. Seine Frau Ilse ist laut NS-Rassenlehre „arischer“ Abstammung. Da es der Ehemann, also Hans, ist, der als Jude eingestuft ist, und die Ehe kinderlos ist, wird sie als „nicht-privilegierte Mischehe“ eingestuft.
Im August 1938 erlebt Hans Kuppenheim, wie sein Onkel Hugo Kuppenheim, der den großväterlichen Betrieb weiterführt, sich während der sog. „Arisierung“ verzweifelt das Leben nimmt. Im selben Monat beschließt die Reichsregierung die Einführung von „typisch jüdischen“ Zwangsnamen, um jüdische Menschen erkennbar zu machen; Hans Friedrich Ludwig Kuppenheim muss zusätzlich den Namen „Israel“ führen.
Mit Datum 9. Dezember 1938 – einen Monat nach der Pogromnacht – erhält Hans Kuppenheim einen Brief der Deutschen Physikalischen Gesellschaft: „Unter den zwingend obwaltenden Umständen kann die Mitgliedschaft von reichsdeutschen Juden im Sinne der Nürnberger Gesetze nicht mehr aufrecht erhalten werden. […] Im Einverständnis mit dem Vorstand fordere ich daher alle Mitglieder, die unter diese Bestimmung fallen, mir ihren Austritt aus der Gesellschaft mitzuteilen. Heil Hitler! P[eter]. Debuye. Vorsitzender“. Diese Entscheidung wird die Deutsche Physikalische Gesellschaft Hans Kuppenheim gegenüber übrigens nie zurücknehmen.
Sein Cousine Hilde Widmann (geb. Kuppenheim) flieht in diesem Jahr zu ihrem Bruder nach Paris; Cousine Lotte Brückner (geb. Kuppenheim) schafft es, ein Visum für die USA zu erhalten und verlässt Europa in Cherbourg.
Ende 1938 beschließt die Firma Siemens, ihrem Angestellten zu helfen. Aus einem Brief seiner Frau wissen wir, dass Hans Kuppenheim zu diesem Zeitpunkt „nach all den Jahren, die für ihn als Nichtarier so unendlich schwer waren […] kurz vor dem seelischen Zusammenbruch“ stand. Ihm wird ein Posten in der Niederlassung der Firma in Vancouver versprochen; die Einarbeitungsphase von drei Monaten soll in New York bei der Firma Adlanco X-Ray Corporation stattfinden, der Vertretung von Siemens in den USA. Siemens unterstützt ihn auch beim Beschaffen der Ausreisepapiere – am 1.Februar 1939 erhält er einen auf ein Jahr befristeten, mit einem „J“ gekennzeichneten Pass. Am 24. Mai 1939 kommt Hans Kuppenheim auf der „SS Manhattan“ in New York an. Er hat jedoch kein Einwanderungsvisum, lediglich eine beschränkte Aufenthaltsgenehmigung, gekoppelt an seine Stelle sowie an Abkommen mit dem Deutschen Reich. Er muss sie regelmäßig verlängern lassen. Seine Frau Ilse muss er in Berlin zurücklassen.
Nach dem deutschen Überfall auf Polen erklärt Großbritannien Deutschland am 3. September 1939 den Krieg und Kanada, als Teil des „British Commonwealth of Nations“, ist nunmehr Kriegsteilnehmer. Die Weiterreise nach Vancouver wird dadurch unmöglich, und so arbeitet er weiter in der Filiale der Firma Siemens in New York, bis ihm noch im September 1939 gekündigt wird – offenbar nach Aufforderung durch die NS-Regierung. Daraufhin arbeitet Hans Kuppenheim in verschiedenen Firmen als Physiker.
Wann genau und auf welchem Wege Hans Kuppenheim erfährt, dass seine Eltern, Dr. Rudolf und Lilly Kuppenheim, Selbstmord begangen haben, um der Deportation nach Gurs am 22./23.Oktober 1940 zu entgehen, wissen wir nicht.
Am 26. November 1941 verliert er die deutsche Staatsangehörigkeit, ist also staatenlos. Im Dezember 1941 treten die USA in den Krieg ein. Sein Aufenthaltsstatus wird verbessert, aber seine Bemühungen, US-Bürger zu werden, werden bis 1945 andauern. Hans Kuppenheim bietet US-Regierungsstellen seine Unterstützung im Kampf „gegen den gemeinsamen Feind“ an. Bis 1944 wird er mehrfach vom Justizministerium zu Fragen die deutsche Industrie betreffend („German industrial matters“) angehört. Aufgrund seiner überragenden wissenschaftlichen Leistungen wird er 1943 vom „War Department“ der USA (dem Verteidigungsministerium unterstellte Behörde) als „expert on radio tubes and plants“ berufen und vereidigt und gehört diesem Gremium bis zu dessen Auflösung im Jahre 1944 an.
Im Sommer 1945 kontaktiert er General Lucius D. Clay, stellvertretender Militärgouverneur und stellvertretender Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Besatzungszone und des amerikanischen Sektors von Berlin. Er bittet ihn zu veranlassen, dass ein Brief an seine Frau Ilse weitergeschickt wird. Clay hilft; Ilse hört zum ersten Mal seit Jahren von ihrem Mann.
Hans Kuppenheim, der nach 1945 amerikanischer Staatsbürger wird, arbeitet seit 1947 im „Army Medical Research Lab“ in Fort Knox (Kentucky) als Leiter der Abteilung Biophysik. Im selben Jahr kann seine Frau Ilse endlich nachkommen – über Bremerhaven in der US-amerikanischen Zone.
Am 4. September 1966 stirbt Hans Kuppenheim, der seit 1960 verwitwet ist, in Folge eines Verkehrsunfalls. Seine Urne ist im Familiengrab in Pforzheim beerdigt, genauso wie die seiner Frau Ilse, die bereits 1960 gestorben ist.
Autorin: Sabine Herrle (Freiburg)
Lina Hagenlocher (geb. Weil) wird am 5. Juni 1882 in Pforzheim geboren. Sie ist die Tochter von Emilie (geb. Laupheimer) und Robert Weil.
Lina heiratet Gustav Hagenlocher, der einen Uhrengroßhandel betrieb, in dem sie mitarbeitet. Sie ist Mutter dreier Kinder – Lore, Theo und Ellen. Die Familie wohnt und arbeitet in einer Mietwohnung in der Zerrennerstraße 51.
Nach den „Nürnberger Gesetzen“ gilt Lina Hagenlocher als „Volljüdin“, die Kinder als „Mischlinge ersten Grades“. 1942 stirbt ihr Ehemann; die „Mischehe“ kann Lina nicht mehr schützen. Als „Nichtarierin“ darf sie die Firma nicht weiterführen; letztere wird aus dem Handelsregister gelöscht.
Am 10. Januar 1944 wird sie in Pforzheim verhaftet. Im Bahnhofsbunker in Karlsruhe muss sie eine Erklärung unterschreiben, dass ihr gesamtes Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen wird, bevor sie am 11. Januar 1944 mit dem Transport XIII/4 nach Theresienstadt deportiert wird.
Völlige Entrechtung und Demütigungen, Schmutz und Ungeziefer sowie eine gänzlich unzureichende Ernährung prägen den Alltag im Lager; die Todesrate ist sehr hoch. Schwer krank erlebt sie die Befreiung des Lagers am 8. Mai 1945; aufgrund der Seuchengefahr wird sie jedoch erst am 30. Mai 1945 entlassen. Schwiegersohn Walter Jaeger holt sie mit dem PKW aus Theresienstadt nach Pforzheim. Ab September 1945 lebt sie mit ihm und Tochter Lore in Calw.
Lina Hagenlocher verstirbt am 7. April 1949 an einer Herzschwäche als Folge der Haft.
Autorin: Sabine Herrle (Freiburg)
Greta Stengel (geb. Kuppenheim) wird am 18. November 1872 in Pforzheim als jüngstes Kind der Unternehmerfamilie Louis Kuppenheim geboren. Deren “Gold- und Silberwarenfabrik“ genießt international einen ausgezeichneten Ruf.
1903 heiratet die zum evangelischen Glauben konvertierte Greta den nichtjüdischen Arzt Hermann Stengel. Sie bekommt zwei Kinder. Bereits 1933 wird sie Witwe.
Im gleichen Jahr wird Hitler Reichskanzler und die Entrechtung Deutscher mit jüdischen Wurzeln beginnt. Mit den “Nürnberger Gesetzen“ im Herbst 1935 werden Greta Stengel und ihre Kinder quasi über Nacht zu “Nichtariern“ degradiert; ihre Ehe wird zur “Mischehe“.
Ausgrenzung und Verfolgung nehmen stetig zu – sie muss Wertgegenstände abgeben, und wie alle jüdischen Deutschen die “Judenvermögensabgabe“ zur Behebung der Schäden der Pogromnacht zahlen. Ihre Witwenrente wird gekürzt und zeitweise gar nicht bezahlt. Die Lebensmittelrationen sind geringer, es gilt eine Ausgangssperre. Ab 1939 muss sie den Zwangsnamen “Sara“ führen – aber ihre “Mischehe“ bewahrt sie vorerst vor Deportationen, ihr Alter vor Zwangsarbeit.
1938 wird Bruder Hugo in den Selbstmord getrieben, 1940 bringen ihr Bruder Rudolf und ihre Schwägerin Lilly sich um, um der Deportation nach Gurs zu entgehen. Ihr Bruder Ernst stirbt 1943 an den Quälereien im „Arbeitserziehungslager“ Heddernheim. Sie ist nun die einzige Überlebende der Kuppenheim-Geschwister.
Am 10. Januar 1944 wird die 67jährige von der Gestapo in ihrem Haus verhaftet.
Am Bahnhof in Karlsruhe muss sie unterschreiben, dass ihr gesamtes Vermögen an das Deutsche Reich fällt, bevor Transport Nummer 27 ‒ XIII/4 sie ins KZ Theresienstadt verschleppt.
Völlige Entrechtung und Demütigungen, Schmutz und Ungeziefer sowie eine völlig unzureichende Ernährung prägen den Alltag in Theresienstadt; die Todesrate ist hoch. Ihre “Mischehe“ und Glück bewahren Greta vor der Deportation in ein Vernichtungslager.
Am 8. Mai 1945 wird das KZ befreit, Greta kehrt, schwer an Knochentuberkulose erkrankt, zurück. Das Haus der Familie ist ausgebombt.
Am 5. November 1965 stirbt Greta Stengel in Heidelberg, wo ihre Kinder Annemarie und Hanfried leben.
Autorin: Sabine Herrle (Freiburg)
Hilde Julia Widmann (geb. Kuppenheim) wird am 21. Januar 1900 als jüngstes Kind des Unternehmers Albert Kuppenheim und Emilie (geb. Groß) in Pforzheim geboren. Sie hat zwei Geschwister – den 1890 geborenen Bruder Ludwig sowie die 1897 geborene Schwester Anneliese, die bereits 1922 stirbt.
Hildes Großvater väterlicherseits, Louis Kuppenheim, ist Gründer der Firma „Louis Kuppenheim Gold- und Silberwaren“, die innerhalb kurzer Zeit Weltruf erreicht. Nach Louis Kuppenheims Tod führt Albert Kuppenheim die Firma mit zwei seiner Brüder weiter. Ein weiterer leitet die Filiale in Paris.
Die Familie Kuppenheim hat jüdische Wurzeln; alle Kinder des Firmengründers konvertieren um 1900 zum evangelischen Glauben. Hilde wird getauft und in der Schlosskirche in Pforzheim konfirmiert. Sie wächst behütet in der Villa, die ihre Eltern haben bauen lassen, auf, und besucht die Höhere Mädchenschule Pforzheim, die Hildaschule. Wie damals für „höhere Töchter“ verbreitet, macht sie – im Unterschied zu ihrem Bruder Ludwig – keine Berufsausbildung.
Die Familie Kuppenheim ist konservativ und patriotisch – Hildes Vater Albert meldet sich – wie seine Brüder – 1914 (mit 51 Jahren) freiwillig zum Krieg und kommt hoch dekoriert zurück, ihre Mutter Emilie wird mit dem Badischen Kriegshilfekreuz ausgezeichnet. Mitglieder der Familie Kuppenheim sind in vielerlei Hinsicht aktiv in der Pforzheimer Stadtgesellschaft.
1920 heiratet Hilde den Ingenieur Bruno Widmann, der in der Firma seiner Familie, dem Karlsruher Baukonzern Dyckerhoff und Widmann, arbeitet.

1925 scheidet ihr Vater Albert aus dem Leben. 1929 zieht ihr Bruder Ludwig nach Paris; er wird sich fortan Louis nennen. 1930 folgt ihm ihre Mutter Emilie dorthin.
1933 wird die NS-Diktatur errichtet; schon bald beginnt die Entrechtung und Verfolgung Deutscher mit jüdischen Wurzeln. Hilde Widmann selber trifft es in den ersten Jahren nicht, wohl aber ihre Familie – ihr Onkel Rudolf und zwei Cousinen werden aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen, derselbe Onkel darf nicht mehr praktizieren, ihr Onkel Hugo, der die großväterliche Firma weiterführt, wird systematisch bei der Zuteilung von Rohstoffen benachteiligt, ihr – wie sie getaufter – Cousin Hans bei seinem Arbeitgeber als Jude denunziert. Als ihr Bruder 1934 in Begleitung der Mutter geschäftlich nach Pforzheim reist, werden beide von der Gestapo aufgesucht und gezwungen, das Land innerhalb einer Stunde zu verlassen.
Als die Zentrale der Firma Dyckerhoff und Widmann 1935 nach Berlin verlegt wird, ziehen die Eheleute Widmann dorthin. Zu diesem Zeitpunkt leben Hildes Cousin Hans Kuppenheim mit seiner Frau Ilse sowie ihre Cousine Lotte Brückner (geb. Kuppenheim) bereits in der Stadt. Am 15. September 1935 werden die Nürnberger Gesetze verkündet – über Nacht mutiert Hilde Widmann zu einer „Volljüdin“ (alle vier Großeltern sind jüdischen Glaubens). Da ihr Gatte „Arier“ ist, die Ehe aber kinderlos ist, wird sie als „nicht-privilegierte Mischehe“ eingestuft. Im Jahr 1938 – dem Jahr, indem ihr Onkel Hugo sich während der „Arisierung“ aus Verzweiflung umbringt und in dem im November die Synagogen brennen werden, verlässt Hilde Deutschland; sie zieht zu ihrem Bruder nach Paris, ins vermeintlich sichere Frankreich. Die drei – Mutter Emilie, Ludwig/Louis und Hilde – wohnen in einer kleinen Wohnung in der Rue de Vaugirard 288. Zu dem Trio stößt 1938 kurz noch – auf ihrem Weg in die USA – Cousine Lotte Brückner (geb. Kuppenheim), vorher Berlin und Hamburg. Ludwig/Louis, mittlerweile staatenlos, hatte schriftlich seine Bereitschaft erklärt, in die französische Armee einzutreten, sollte es zum Krieg gegen Deutschland kommen. Daher hat er „einen entsprechenden Paß.“ Seine Mutter Emilie gilt als „Refugiée apatride“ (staatenloser Flüchtling) und verfügt über eine Carte d’identité, Hilde jedoch hat lediglich den überaus prekären Status einer „Refugiée d’origine allemande“: sie ist also als geflüchtete Deutsche, als Ausländerin, registriert.
Bei Kriegsausbruch im September 1939 tritt Ludwig/Louis in die Fremdenlegion ein (eine andere Option gibt es für Ausländer nicht). Er bekommt eine neue Identität und wird in Nordafrika eingesetzt. Die Wohnung in Paris wird aufgegeben; seine Mutter und Hilde bringt er kurz vorher in einem gemieteten Häuschen in Antibes an der Côte d’Azur unter.
1940 kapituliert Frankreich. Ein Teil des Landes wird von deutschen Truppen besetzt; in der sog. „freien Zone“ wird der État français mit der Hauptstadt Vichy gegründet, der von einer rechtsgerichteten, antisemitischen Regierung unter Marschall Philippe Pétain diktatorisch regiert wird. Im Oktober 1940 wird das erste „Statut des juifs“ erlassen, welches jüdisch als Rasse definiert, nicht als Religion. Ab dem 10. Oktober 1940 müssen ausländische Jüdinnen und Juden in Lagern interniert werden; Hilde Widmann befindet sich also spätestens ab dann in unmittelbarer Gefahr.
So wird sie 1940 denn auch als „ausländische Staatsangehörige einer feindlichen Nation“ verhaftet und in das berüchtigte Lager in Gurs (Pyrenäenvorland) verschleppt. Ihrer Mutter gelingt es jedoch, sie mit den Militärpapieren von Ludwig/Louis herauszuholen.
Im Sommer 1942 verpflichtet sich die Vichy-Regierung, 10.000 “ausländische Juden“ an das Deutsche Reich auszuliefern. (Dies geschieht VOR der Besetzung fast ganz Frankreichs im November 1942.) Es gibt großangelegte Razzien, organisiert von der französischen Polizei; letztere übernimmt die Verhaftung und Bewachung dieser Menschen und zwingt sie in Züge, welche sie in die besetzte Zone Frankreichs, in das Lager Drancy bei Paris, bringen werden. Die günstig in der Nähe des Bahnhofs Nice-St. Roch gelegene Polizeikaserne Auvare wird zum Sammellager.
Beide Frauen werden gewarnt. Emilie Kuppenheim gelingt es, sich bei Schafzüchtern in einer Hütte bei Plascassier (heute Ortsteil von Grasse) zu verstecken. Für Hilde ist es jedoch zu spät. Sie wird während der Razzien verhaftet und mit weiteren knapp 1000 Männern, Frauen und Kindern am 26. und 27. August 1942 in die o.g. Polizeikaserne, die Caserne Auvare in Nizza, verschleppt. Ein Augenzeuge schildert die dortige Situation, wie sie auch Hilde Widmann erlebt haben muss: „[…] was würde aus ihnen werden? […] Es herrscht Resignation, vermischt mit nackter Angst. Die Menschen […] sind sich klar darüber, dass sie an die deutschen Behörden ausgeliefert werden. Sie unterliegen einer scharfen Bewachung, um jegliche Verzweiflungstat zu verhindern. […] Ein festgenommener Gefangener wurde dabei erwischt, wie er versuchte, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern zu öffnen […]“.
Am 31. August 1942 werden 560 von ihnen in einem Sonderzug nach Drancy verschleppt: 274 Männer, 281 Frauen und 5 Kinder unter 10 Jahren. 153 Männer bewachen sie.
Am 2. September 1942 geht der Transport Nr. 27 von Drancy nach Auschwitz ab. Hier verliert sich die Spur von Hilde Widmann.
Auf welchem Wege die Familie von Hildes Deportation erfahren hat, ist nicht bekannt. Die Information wird jedoch – wegen der Zensur verklausuliert – innerhalb der Familie weitergegeben, so in einem Brief, den Hildes Onkel Ernst Kuppenheim am 24. Januar 1943 an seinen Sohn Erich in Buenos Aires schreibt: „Es wird Dich sicher interessieren […] dass Hilde W. nicht mehr bei Tante Emilie ist, man hat sie wegen ihrer Erbkrankheit in ein Sanatorium geschickt.“
Am 29. Januar 1943 wird die Ehe zwischen Hilde und Bruno Widmann vom Landgericht Berlin geschieden. 1945 wird Ludwig/Louis demobilisiert und findet seine Mutter in Antibes wieder, nicht aber Hilde. „[…] Mutter glaubte, dass meine Schwester Hilde die Deportation überlebt haben würde. […] Sie hörte und las über die Greuel der Nazi-Konzentrationslager und kam nach und nach zur Überzeugung, dass auch ihr Kind Hilde nicht zurückkehren werde.“
Die Familie erfährt die Wahrheit; mit einem Acte de disparition wird Hilde Widmann für tot erklärt. In einer Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 19. Mai 1953 wird ihr Todesdatum auf den 31. Dezember 1942 festgelegt.
Am 19. März 1955 nimmt das Landgericht Berlin (40. Zivilkammer) die Rechtskräftigkeit des Scheidungsurteils zurück, wahrscheinlich auf Antrag von Bruno Widmann.
Sehr lange erinnert nur ein Stein auf dem Familiengrab in Pforzheim an Hilde Widmann geb. Kuppenheim. Am 30. Januar 2020 wird in Nizza der „Mur des Déportés“ enthüllt. Auf ihm stehen die Namen der 3603 von Nizza aus verschleppten Jüdinnen und Juden, darunter auch der von Hilde Widmann. Initiiert hat dieses Mahnmal Serge Klarsfeld, der 1942 in Südfrankreich lebte und genau diesen Razzien entkam.
Seit Juni 2022 liegt ein Stolperstein vor Hilde Widmanns letzter Adresse in Berlin, der Binger Straße 41.
Autorin: Sabine Herrle (Freiburg)